„Wer heilt, hat nicht immer Recht“

Juni 24, 2025

Wie strukturelle Diskriminierung im Gesundheitswesen wirkt – und was wir dagegen tun können**

Medizin soll objektiv, gerecht und menschenzentriert sein. Und doch berichten viele Menschen – ob Patient*innen oder Fachkräfte – von Erfahrungen, die genau das Gegenteil zeigen: Sie fühlen sich übersehen, nicht ernst genommen oder schlechter behandelt. Nicht weil sie weniger krank wären. Sondern weil sie anders sind.

Strukturelle Diskriminierung im Gesundheitswesen ist ein Thema, das oft dort beginnt, wo niemand böse Absichten hegt – und genau deshalb so schwer zu greifen ist. Aber es ist real. Und es wirkt. Täglich.

Was ist strukturelle Diskriminierung überhaupt?

Strukturelle Diskriminierung beschreibt Mechanismen, durch die bestimmte Gruppen systematisch benachteiligt werden – nicht durch einzelne Entscheidungen, sondern durch Regeln, Routinen und Annahmen, die tief in unseren Strukturen verankert sind.

Im Gesundheitswesen bedeutet das:

  • Menschen werden nicht nach Bedarf behandelt, sondern nach Erwartungen.
  • Sprache, Herkunft, Geschlecht oder Religion beeinflussen Entscheidungen, oft unbewusst.
  • Institutionen übernehmen Normen, die nicht für alle passen – aber für alle gelten sollen.

Woran zeigt sich das in der Praxis?

Strukturelle Diskriminierung ist selten laut. Sie ist leise – aber wirksam. Hier einige Beispiele aus dem medizinischen Alltag:

  • Schlechter Zugang zu Versorgung: Menschen mit unklarem Aufenthaltsstatus oder ohne Krankenversicherung haben oft kaum Möglichkeiten, medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen.
  • Fehlende sprachliche Unterstützung: Ohne professionelle Dolmetschung entstehen Missverständnisse – mit gravierenden Folgen für Diagnostik und Therapie.
  • Unbewusste Vorannahmen: Schmerzäußerungen werden bei Männern oft ernster genommen als bei Frauen. Oder: Schwarze Patient*innen bekommen seltener Schmerzmittel – dokumentiert in Studien aus verschiedenen Ländern.
  • Verkürzte Gespräche: Wer nicht „zur Norm“ passt, wird oft schneller abgefertigt – sei es durch Zeitdruck, Unsicherheit oder implizite Vorurteile.
  • Diskriminierung im Team: Auch Fachkräfte mit internationalem Hintergrund berichten regelmäßig von geringerer Wertschätzung, schlechteren Aufstiegschancen oder subtilen Ausgrenzungen.

Diese Muster sind nicht immer beabsichtigt – aber sie sind spürbar. Und sie wirken sich aus: auf Gesundheit, Vertrauen und Teilhabe.

Warum das nicht „nur Einzelfälle“ sind

Natürlich: Viele dieser Situationen sind individuell. Aber gerade das macht sie strukturell.
Denn wenn bestimmte Gruppen immer wieder ähnliche Erfahrungen machen, ist das kein Zufall – sondern ein Signal.

  • Studien zeigen, dass Menschen mit Migrationsgeschichte seltener Präventionsangebote nutzen, weil sie sich nicht angesprochen oder unsicher fühlen.
  • Trans- und intergeschlechtliche Personen erleben häufig medizinische Versorgung, die an ihrer Lebensrealität vorbeigeht.
  • Ältere Menschen, Menschen mit Behinderung oder People of Color berichten über stereotype Annahmen, die Einfluss auf Diagnosen und Behandlungen haben.

Strukturelle Diskriminierung ist kein Thema der Moral – sondern eines der Wirkung.

Was wir dagegen tun können

Die gute Nachricht: Strukturelle Diskriminierung ist veränderbar.
Aber dafür braucht es nicht nur guten Willen – sondern bewusste Strategien.

1. Bewusstsein schaffen
Es beginnt mit der Frage: Wo wirken in meiner Einrichtung unbewusste Ausschlüsse?
Trainings, Reflexionsrunden und Fallbesprechungen können helfen, blinde Flecken sichtbar zu machen.

2. Sprache prüfen
Formulare, Aufklärungsbögen und Kommunikation im Alltag sollten inklusiv und verständlich sein – für alle, nicht nur für Expert*innen.

3. Vielfalt fördern – auch im Team
Ein diverses Team bringt neue Perspektiven – und verhindert, dass sich ein einziger Blickwinkel durchsetzt.

4. Dolmetschdienste und kultursensible Angebote bereitstellen
Professionelle Sprachmittlung rettet Leben. Sie darf nicht am Budget scheitern.

5. Patientenrechte stärken
Eine diskriminierungsfreie Versorgung ist ein Recht, kein Extra. Das muss sich auch in Beschwerdemanagement, Aufklärung und Beteiligung widerspiegeln.

Was Inklusive Gesundheit tut

Wir setzen uns aktiv für ein diskriminierungsfreies Gesundheitssystem ein. Das heißt für uns konkret:

  • Wir fördern Forschung zu struktureller Diskriminierung.
  • Wir entwickeln Schulungsformate für Fachkräfte.
  • Wir arbeiten mit Einrichtungen zusammen, die Vielfalt wirklich leben wollen.
  • Wir machen Betroffenen eine Stimme hörbar – durch Geschichten, Interviews, Erfahrungsberichte.

Unser Fazit

Wer heilt, hat nicht immer Recht – wenn Strukturen nicht mitheilen.
Ein gerechtes Gesundheitssystem braucht mehr als gute Medizin: Es braucht eine Kultur, die alle Menschen sieht, respektiert und einbezieht.

Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten – Schritt für Schritt, offen und ehrlich.

📬 Möchten Sie mehr über unsere Programme oder Kooperationsmöglichkeiten erfahren? Schreiben Sie uns. Wir freuen uns auf den Dialog.